Paul Paravicini

*1872,  † 04. Juni 1926

Wer war Paul Paravicini? Den wenigsten Clubmitgliedern wird dieser Name bekannt sein. Paul Paravicini war ein junger, aufstrebender Architekt in den 20er Jahren, der als Bester aus einer Ausschreibung hervorgegangen war und damit die Verantwortung und Freiheit bekam, unser neu erworbenes Gelände an der Adickesallee zu gestalten. Dazu zählten die Sportflächen für Rugby, Hockey, Tennis und natürlich unser Clubhaus.

Im Jahr 1922 wurde das heutige Clubgelände angekauft und fortan erschienen in den Monatsblättern des Clubs unter der Rubrik „Unser neuer Platz“  Neuigkeiten und Baufortschritte. Da die Bauarbeiten mit 80 Personen gut voran gingen, konnte damit gerechnet werden, dass der Club bereits im Jahr 1923 auf der eigenen Anlage Sport treiben konnte.

Trotz allem Optimismus waren jedoch noch Schwierigkeiten zu überwinden und Idealismus allein reichte nicht aus, das gewaltige Vorhaben in der wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeit zu realisieren. Dank des Einsatzes vieler Clubmitglieder gelang es aber, den notwendigen finanziellen Hintergrund abzusichern. Am 12. September 1922 trat der gesamte Vorstand gegenüber der Aktiengesellschaft für Hoch- und Tiefbauten mit einer Bürgschaft über 500 000 Reichsmark ein, um den Bau des Clubhauses zu finanzieren. Trotzdem wäre wegen der Inflation das Projekt gescheitert, wenn nicht Richard Merton eingesprungen wäre. Er übernahm 1922 das gesamte Gelände und finanzierte den Ausbau. Am 24. März 1924 wurde das Grundstück, aufgrund des vereinbarten Rückkaufrechts, dem Sportclub wieder übertragen. Die Hintergründe dieser finanziellen Transaktion beschreibt Richard Merton in einem Brief vom 03. Februar 1946 an den Oberbürgermeister Walter Kolb: „Ich war zu jener Zeit – es war wohl im Jahr 1920 oder 1921 – in der glücklichen Lage, persönlich einen nicht unerheblichen Besitz an Dollar zu haben, und da mir die Entwicklung von Sportanlagen unter den damaligen Verhältnissen eine im allgemeinen Interesse liegende Angelegenheit zu sein schien, habe ich mit dem Sportclub 80 eine Vereinbarung dahingehend getroffen, daß ich zunächst das ganze Gelände einschließlich der Arbeiten, die schon geleistet waren, vom Sportclub 80 unentgeltlich übernahm mit der Verpflichtung meinerseits, den Ausbau des Geländes einschließlich Clubhaus fertig zu machen und dann dem Sportclub 80 gegen eine billige Hypothek, die sehr langsam zu amortisieren war, zurückzuverkaufen.“  Der Kaufpreis für die Rückübertragung ergab sich aus den von Richard Merton aufgebrachten Kosten in Höhe von 84 000 Reichsmark. Der Betrag wurde in ein Darlehn und mit einer Hypothek abgesichert.

Für die Mitglieder indes ging alles planmäßig voran. Am 02. September 1922 wurde der Grundstein für das heutige Clubhaus gelegt und im Jahr 1923 wurden nach und nach die fertiggestellten Plätze in Betrieb genommen. Am 02. Juni 1923 meldete die Presse, daß sich der Sportclub Frankfurt 1880 an der Adickesallee ein erstklassiges Sportgelände geschaffen hat, auf dem die neue Tennisanlage am Samstag mit einem Doppel bekannter Frankfurter Spieler eingeweiht werden würde.

Die Geschichte des Clubs wäre unvollständig ohne die Schilderung des Schicksals von Richard Merton. Dieser schrieb in einem Brief vom 03. Februar 1948 an den Oberbürgermeister Walter Kolb: „Der Klub-Vorstand hat sich, obwohl ich aus rassischen Gründen ja eine Berücksichtigung nicht mehr ‘verdiente‘, immer bemüht, seine Verpflichtungen, so gut er konnte, zu erfüllen, mit Rücksicht auf die Nazi-Herrschaft bestand immer wieder die Gefahr, daß man mich in irgendeiner Weise zu enteignen versuchen würde. Im Jahr 1938 wurde ich dann nach der Entlassung aus dem Konzentrationslager zur Auswanderung gezwungen und mußte in Form von Judenabgaben und Reichsfluchtsteuer sehr hohe Abgaben bezahlen, die ich nur dadurch zu leisten in der Lage war, daß ich alles, was nur irgendwie mobil gemacht werden konnte, verkaufte. Die Hypothek war längst fällig, und ich habe dem Klub-Vorstand damals mitgeteilt, daß ich die Rückzahlung der Hypothek und die fälligen und anfallenden Zinsen unter den gegebenen Umständen verlangen müsse. Um sich mir gegenüber seinen Verpflichtungen zu entledigen, hat der Klub-Vorstand sich mit der Stadt in Verbindung gesetzt…“

Obwohl die Entscheidung nicht einfach und politisch sicherlich nicht opportun war, entschied sich der Vorstand für eine wahrhaft anständige Lösung. Am 26. Mai 1937 verkaufte der Club seine Sportanlage an die Stadt Frankfurt zu einem Preis von 114 500 Reichsmark und schloß am 31. Mai 1937 einen Mietvertrag über die Benutzung ab. Auf diese Weise konnte der Club seine Verpflichtungen gegenüber Richard Merton erfüllen und gleichzeitig seine Auswanderung ermöglichen.

Zur langfristigen Sicherung unseres Sportgeländes schloss der Vorstand des Sport-Club Frankfurt 1880 am 24.11.2009 mit der Stadt Frankfurt einen Erbbaurechtsvertrag über das heutige Grundstück in der Feldgerichtstraße, welches somit den Mitgliedern die Nutzung der Sportanlage bis mindestens 31.12.2068 garantieren wird. Viele verantwortliche Persönlichkeiten aus der Vergangenheit hätten sich über diese Entwicklung gefreut, die die sich so vehement für den Kauf des Grundstücks eingesetzt haben, die, die Bürgschaften übernahmen, um die Finanzierung aufrecht zu erhalten, Wilhelm Merton, der dem Club mit einen Teil seines Vermögens übernahm, den offenen Geldwert im Jahre 1937 vom Vorstand zurückerbat, um die Reichsfluchtsteuer begleichen zu können und nicht zuletzt unser anfangs benannter Paul Paravicini, dessen 90. Todestag wir 2016 erinnertenn, dessen Lebenswerk noch heute in schönster Pracht inmitten der Stadt Frankfurt liegt. Bereits 1926 formulierte der Vorstand folgenden Nachruf:

„Auch auf seiner Bestattung konnten wir feststellen, welche Wertschätzung und Verehrung als Mensch und Künstler Paravicini genoß, es fehlte kein namhafter Künstler Frankfurts.

Wir selbst können stolz sein, daß gerade Paravicini unsere Anlage erbaut hat. Immer wieder, wenn Besucher von auswärts und dem Ausland unsere Anlage besichtigen, waren sie voll von Bewunderung über die glückliche Lösung der Gliederung der Gesamtanlage, unter gleichzeitiger Wahrung des gärtnerischen Schmuckes. Den wenigen Mitgliedern, welche Gelegenheit hatten Paravicini persönlich kennen zu lernen und Einblick in sein Schaffen und Tun zu nehmen, wird dieser Mann unvergeßlich bleiben, seine Anspruchslosigkeit und Bescheidenheit waren dazu angetan, ihn in dieser Zeit des Egoismus und Materialismus beinahe als Sonderling erscheinen zu lassen.

Nach Jahr und Tag, wenn auf unserer Anlage die Platanen-Allee und die Hecken die gedachte Wirkung erreicht haben, dann wird sich manches Mitglied seiner in Dankbarkeit und Anerkennung erinnern. Wir selbst aber können sein Andenken nicht würdiger ehren, als wir sein Werk hegen und pflegen und in seinem Sinne zu erhalten.“

Der SC Frankfurt 1880 ist ein Sportverein im Herzen Frankfurts. Wir stehen für Toleranz, Nichtdiskriminierung, Gleichheit, Gerechtigkeit und Pluralismus sowie Solidarität. Diese Werte sind für uns unantastbar.